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9 - Angst und Psyche

„So bin ich jetzt immer. Alles andere ist nur Fassade. Ich fühle mich schlecht, aber ich weiß wie es ist nor-mal zu sein, also imitiere ich das. Aber das bin ich jetzt wirklich. Ich will wieder normal sein. Aber ich bin schwach.“

Zitat After Life

Ich könnte jetzt einige Seiten mit Zitaten der Serie After Life zu füllen. Eine wundervolle kleine Serie, die ich schon vor einigen Jahren entdeckte und die mich damals schon sehr bewegt hat. Und ich dachte, was für eine wundervoll liebevoll Geste und zugleich auch tieftraurig, wenn man seinem Partner eine An-leitung für das Alleinsein schreibt. Fütter den Hund, sei auch mal nett zu anderen und trink nicht so viel Wein. Geh aus, hab Dates und tu was ich auch tun würde. Und je mehr man darüber nachdenkt, ist es auch wahnsinnig schwer, denn wo sollte man anfangen? Denn natürlich weiß man, dass der der zurück-bleibt es auch alleine schafft. Aber das will man doch eigentlich nicht. Schließlich ist man ein eingespieltes Team. Und da sind wir wieder beim Thema: Angst.

Angst ist gut. Sie ist sogar überlebensnotwendig. Zumindest kann sie das sein. Sie macht uns leistungs-fähiger,, wachsam und natürlich schützt sie uns vor Gefahr. Und auch jeder von uns kennt es, diesen Nervenkitzel, wenn wir uns bewusst auf eine etwas vielleicht gefährliche Situation einlassen. Aber natür-lich wissen wir da ziemlich wahrscheinlich, dass es gut ausgeht.

Allerdings ist Angst auch Stress für den Körper. Der Puls steigt an, unser Atem wird schneller und auch andere körperliche Reaktionen sind möglich. Magenschmerzen, Schweißausbrüche, dauerhafte innere Anspannung, Kopfschmerzen usw. Bis hin zu Herzbeschwerden und Depressionen. Denn Angst kann auch chronisch werden. Tägliches Grübeln und sich nicht mehr ablenken können, führen dazu, dass unsere Lebensqualität eingeschränkt wird.

Als meine Erkrankung mich mit voller Wucht erwischte, wurde meine Angst vor unkontrollierbaren Situationen und durch die Tatsache, dass ich meinen Körper nicht mehr vertraute, so schlimm, dass ich die Wohnung nicht mehr wirklich verlassen habe. Alleine schon gar nicht. Ich brauchte das Gefühl, dass mich im worst case jemand im wahrten Sinne des Wortes fangen kann. An Alltäglichkeiten, wie einkaufen gehen war nicht zu denken. Ganz weit entfernt war der Gedanke mal wieder allein etwas zu unternehmen. In die Innenstadt fahren und ein Eis essen zum Beispiel. Das war eine Angst, die zum Teil sehr offensichtlich war. Ich habe gezittert, war unruhig, habe geschwitzt, ständig habe ich nach dem nächstgelege-nen Ausgang geschaut oder einer Möglichkeit, wo ich mich hinsetzen konnte. In der Zeit hat mein Mann mir sehr geholfen. Wir haben auch diese Phase der Ungewissheit, was nun eigentlich genau nicht stimmt, zusammen gemeistert. Jeden Abend haben wir zusammen meditiert, damit ich mal etwas entspannen konnte. Und langsam haben wir mir mich wieder dran gewöhnt raus zu gehen und mir wieder Dinge zuzutrauen.

Jetzt ist da eine andere Angst. Die Angst was wäre wenn? Oder bin ich überhaupt richtig vorbereitet? Was kann ich im Vorfeld zur OP noch tun außer Sport machen und mir viel positiven Input zu geben? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich liebe es Listen zu schreiben und zu planen. Gerne wüsste ich jetzt schon was ich in 3 Wochen mache. Aber all das ist zur Zeit offen. Dafür gibt es nicht die passende Liste. Und ich denke genau das ist es was mir Angst bereitet. Sicher äußert sich das bei jedem anders. Bei einem offensichtlicher, beim anderen eher nach innen gerichtet.

Einer der Chirurgen in Jena sagte mir ganz zu Beginn der Reise zur Transplantation, dass die Psyche oft vernachlässigt wird, wenn es um Organspende geht. Ich kenne es leider auch so, dass man psychologische Hilfe nur dann bekommt, wenn man sie anfordert oder sich selbst darum kümmert. Zu Beginn ist es wahnsinnig schwer sich einzugestehen, dass man krank ist und das an um eine Transplantation nicht herumkommt. Und dann kommt die meistens lange, manchmal weniger lange Zeit des Wartens. Die am Anfang noch sehr präsenten Befürchtungen werden irgendwann alltäglich und schwingen unterschwellig immer mit. Man denkt nicht mehr darüber nach, warum man jetzt die Extrakosten zahlt, um die Reise noch bis 5 Minuten vor Abreise stornieren zu können. Oder ob es wirklich notwendig ist, eine Versicherung für die Konzertkarten abzuschließen. Es plätschert so mit und begleitet den Patienten und deren Angehörige jeden Tag. Und naja, wie sagt man so schön, steter Tropfen höhlt den Stein. Meines Erachtens - und ich denke viele Betroffene werden mir zustimmen - sollte dieser Prozess viel besser begleitet werden. Natürlich nur wenn man das auch wirklich will. Denn meist beschreibt man ja mit dem „Mir geht’s ganz gut“ nur die körperlichen Probleme. Die setzt man aber auch natürlich irgendwann ins Verhältnis zu den Zeiten, in denen es einem richtig beschissen ging. Aber die Psyche ist ja auch ein Teil unseres Körpers. Sie beein-flusst wie wir leben und wie wir mit anderen umgehen. Und wenn dort ein Ungleichgewicht ist merkt man das meist immer ziemlich rasch. Selbstverständlich tut es auch gut mit der Familie oder Freunden zu sprechen, aber naja, eben aus den Gründen ist man da auch manchmal etwas befangen. Befangen als Ratgebender und vielleicht zurückhaltender, wenn man nach Rat sucht.

Ich würde mir wünschen, dass die Betreuung in der Hinsicht eine bessere wird. Deutlich besser. Und jetzt muss ich leider sagen habe ich den Faden verloren. (Konzentrationsprobleme, weil ich psychisch etwas überladen bin? Möglich.) Nun ja. Mich rief gerade die Klinik in Jena an und teilte mir mit, dass Termin für mein psychologisches Gespräch nun endlich für Anfang Februar feststeht. Was für eine wunderbare Iro-nie. Wir bleiben hoffnungsvoll, dass es bei diesem Termin bleibt und dann endlich die Transplantation terminiert werden kann. Aber es ist ein schöner Abschluss für das heutige Thema!

 

i https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/was-ist-angst-und-koennen-aengste-auch-hilfreich-sein/

i https://www.internisten-im-netz.de/fachgebiete/psyche-koerper/versteckte-angst.html